unsere Rede zum t*dov 2022

Rede Call me by my name für den t*dov am 31.03.2022, geschrieben von Han

Die Uni Halle ist Platz 2 auf dem LGBTIQ+ Campus Ranking 2021! Wow! (https://diskriminierungsschutz.uni-halle.de/lgbtiq/#anchor3367362) Dieser Index „soll Studieninteressierten und Studierenden eine Orientierungshilfe zu LGBTIQ+ inklusiven Campuskulturen“ sein. Wegen diesem Platz 2 könnten sich also noch mehr Queers entscheiden, nach Halle zu kommen. Gerne, wir nehmen euch auf! Aber die Uni Halle? Platz 2 von allen teilnehmenden Unis in Deutschland, Österreich und Schweiz? Ist das ihr Ernst?
Wie hat sie das bitte geschafft? Beim Kriterium „Initiativen, Engagement und weitere Angebote“ hat sie sogar 100% erreicht! Vorbildlich – und auch ziemlich ironisch. Eine dieser Initiativen sind nämlich wir – Call me by my name. Und anders als die Uni das nach außen verkaufen möchte, gibt es uns nicht, weil die MLU so vorbildlich INTA+  Studierenden gegenüber ist. Ganz im Gegenteil! Wir setzen uns für die Rechte von inter*, nicht binären, trans* und a_gender, kurz INTA+, Studis an der Uni Halle ein – weil die Uni es selbst nicht auf die Reihe bekommt!
Hier also unser ehrliches Campus Ranking:

1. Der Senat der MLU hat ein „Diversity Statement“ geschrieben. Yay, Diversity! Was steht denn da so drin zum Thema Rechte von INTA+ Personen?
„Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg legt Wert auf einen diskriminierungs-, belästigungs- und gewaltfreien Umgang miteinander,“ Hmh, bisschen vorspulen. „Sie wertschätzt die Vielfalt ihrer Mitglieder, Angehörigen und Gäste insbesondere hinsichtlich“ hm, wieder vorspulen, ah, da sind wir ja „hinsichtlich ihrer […] Geschlechter und Geschlechtsidentitäten (in einem Verständnis, das explizit auch trans*- und inter*geschlechtliche sowie andere nicht-binäre Personen einschließt)“ (https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=58897&elem=3359966)
Aaah, Geschlechter UND Geschlechtsidentitäten. Geschlechter, das sind dann die „normalen“ Cissen – und für INTA+ Leute gibt’s noch was extra, die haben Geschlechtsidentitäten. Ja, das klingt ja richtig inklusiv. Nutzen wir mal zwei verschiedene Begriffe um zu zeigen, wie gleich wir alle sind! Das geht ja gut los!

2. Gucken wir doch mal, wie es uns INTA+ Leutenmit unseren Geschlechts“identitäten“ so geht. Die Uni mag das nämlich gar nicht so gerne, wenn mensch trans* ist und dann auf die absurde Idee kommt, einen anderen als den Passnamen nutzen zu wollen.
Passname – oder wie es für viele heißt: Deadname. Denn der Name gehört für viele zu einer Person, die es so nicht mehr gibt und sowieso nie gab. Stattdessen geben wir uns selber Namen, die uns keine Schmerzen bereiten. Um unsere echten, selbstgewählten Namen wieder zum Passnamen werden zu lassen, müssen aber teure und oftmals (re)traumatisierende rechtliche Verfahren genutzt werden.
Der Uni könnte das alles egal sein. Die Uni könnte uns einfach unseren echten Namen angeben lassen. Rechtlich ist das möglich, technisch ist das möglich. Es gibt Unis, die machen es auch so.
Stattdessen will die Uni, dass wir diese Verfahren beginnen und beteuern, dass wir ja auch nur einmal den Namen wechseln. Das ist keine Option!
Was nimmt sich die MLU heraus, uns vorzuschreiben, ob wir uns den Verfahren nach Personenstandsgesetz oder sog. „Transsexuellengesetz“ aussetzen? Das geht euch nichts an!
Liebe Uni, euch geht es darum, uns identifizieren zu können? Was hilft da wohl mehr- Der Name, den ich im Alltag nutze oder der Name, der eine Passleiche geworden ist? Wozu haben wir eigentlich Matrikelnummern? Achso, den 10. Christian Müller könnt über seinen Namen auch nicht mehr eindeutig zuordnen? Da stört es euch nicht?
Und wenn Christian heiratet – kein Problem, ändern wir doch gerne seinen Nachnamen. Klappt, passt ja in unser cis-hetero-normatives Leitbild. Diversity? Von wegen!

3. Am 8. März hat „unsere“ Gleichstellungsbeauftragte eine Mail an alle Studierenden mit dem Geschlechtseintrag „weiblich“ geschickt und sie als „Liebe Frauen“ adressiert. Auf den freundlichen Hinweis, dass ich – und viele andere – im System zwar diesen Eintrag haben, aber definitiv keine Frauen sind, und auch viele Frauen nicht diesen Eintrag haben, kam ein „Es tut mir leid, dass Sie sich misgendert GEFÜHLT haben“ … Wow, es wird wieder viel gefühlt, Hauptsache Sie müssen Ihr Verhalten nicht reflektieren, liebe Gleichstellungsbeauftragte.

Aber was soll sie auch machen? Schon die Wahlordnung ist so angelegt, dass die Gleichstellungsbeauftragte nur von Studis mit Geschlechtseintrag „weiblich“ gewählt werden darf. Da wurden INTA+ Menschen ja wieder richtig gleichgestellt.
Wir können es aber auch selbst machen. Auf der Website steht so schön „kandidieren dürfen sowohl weibliche als auch männliche Mitglieder bzw. Beschäftigte der MLU.“ (https://wisswei.verwaltung.uni-halle.de/wahlen/gleichstellung2022/ )
Oh, wait. „sowohl weibliche als auch männliche” – hallo, MLU? Wo bleibt denn euer Diversity Statement? Binäre Geschlechter für die Gleichstellung, das ist so traurig, dass es schon wieder – ne, das ist eigentlich nur peinlich, MLU.

4. Selbst wenn wir das alles übersehen und uns dann doch zur Wahl stellen wollen, dann aber bitte unter Deadname. Warum müssen denn trans* Menschen einen Namen angeben, unter denen sie eh keiner kennt, wenn im Wahlregister eh wieder die Matrikelnummer steht? Outing-Zwang für Senatswahl, oder was? So werden Menschen mit Deadname – und damit ein Großteil der INTA+ Studierenden – aktiv daran gehindert, sich an der Hochschulpolitik zu beteiligen.
Und kommt mir bitte nicht mit „das geht technisch nicht“ – euer Wahlregister ist garantiert ne Excel-Tabelle, da haben wir Hiwis mehr Ahnung von als die Wahlleitung.

5. und letztens. Wir sind „call me by my name“, „nenn‘ mich bei meinem Namen“ – warum wir so heißen, sollte mittlerweile klargeworden sein. Unser Engagement sollte kein Grund dafür sein, dass die Uni in einem „LGBTIQ+ Campus Ranking“ gut abschneidet. Denn unser Engagement ist Beweis dafür, dass sie ihre Arbeit nicht macht!
Die Uni weiß von uns, der Rektor, seine Stabsstelle für Vielfalt und Chancengleichheit wissen von uns. Und sie sagen uns, wie gut und wichtig unser Engagement doch ist. Klopfen uns mit Worten auf die Schulter, um im nächsten Atemzug zu sagen, dass sie wirklich schon alles tun, um uns zu helfen. Wir müssten doch nur Geduld haben. Solche Prozesse würden eben dauern.
Nun, lieber Rektor, liebe Stabsstelle, mäßig geehrte Uni Halle, da muss ich enttäuschen: Wir haben keine Geduld mehr! Seit 1,5 Jahren setzen wir uns jetzt schon für die Rechte von INTA+ Studierenden ein und Sie lächeln uns freundlich an, machen Versprechungen, drehen sich um und nichts ändert sich für uns. Wir haben es satt!
Also erwartet keine Geduld mehr, solange wir keine Ergebnisse sehen!

Und nun wieder zurück zu uns hier, es ist so schön die „Diversity“ auf der Straße zu sehen, von der die Uni nur träumen kann. Ich freue mich, dass ihr hier seid. Danke!
Und noch Werbung in eigener Sache: Wir suchen Nachwuchs! Wenn ihr mir zugehört habt und schon ganz hibbelig geworden seid, auch was ändern wollt, bitte macht mit. Ihr könnt mich gerne im Nachhinein ansprechen oder ihr findet uns online unter call-me-by-my-name.de.

Ich verspreche, dass wir uns weiter einsetzen, bis wir endlich studieren können, ohne von unseren Deadnames und einem veralteten binären Geschlechtersystem verfolgt zu werden. Danke!