„Früher hieß es Frauenvollversammlung…“

Stellungnahme zur aktuellen Wahl der Gleichstellungskollegien und zur „Vollversammlung zur Wahl der Gleichstellungskollegien“ am 27.04.2022

Diese Woche werden an der Uni Halle die Gleichstellungskollegien gewählt. Um darüber zu informieren, was Gleichstellungsarbeit bedeutet und wer an der Uni Halle dafür verantwortlich ist, hatte das Gleichstellungskollegium vor der Wahl zur Vollversammlung am 27.04.2022 gerufen.
Eine tatsächliche „Vollversammlung“ ist es bei ca. 60 Anwesenden vielleicht nicht geworden, aber wir waren dabei. Hier ein kleiner Einblick, was dabei so los war.

Eingehend hat der Rektor Christian Tietje darüber sinniert, dass sein „Hochschulentwicklungsplan“ (das Wort Kürzungen nahm hier keins in den Mund) ja helfen würde, die Universität „handlungsfähig“ zu machen und damit auch der Gleichstellungspolitik helfen würde. Wie solche Kürzungen das schaffen sollen, bleibt uns ein Rätsel.
Zudem hat der Rektor das neue „Gendercontrolling“-Projekt angeteasert. Hier sollen wohl Statistiken in Bezug auf Geschlecht erstellt werden, um die Gleichstellungsarbeit zu unterstützen. Solange nicht-cis Studierende aber einem diskriminierenden Verfahren ausgesetzt sind, um ihren Geschlechtseintrag der Wirklichkeit anzupassen, wird das „Gendercontrolling“ wohl keine akkuraten Statistiken erheben können. Gerade in Bezug auf trans* Studierende, scheint das aber auch gar nicht das Ziel, die Website schreibt nämlich: „Die Gleichstellung und Chancengleichheit von Männern und Frauen soll dabei durch die Entwicklung geeigneter Fördermaßnahmen verwirklicht werden.“ (https://www.prorektoratse.uni-halle.de/stabsstelle/projekte/gender_controlling/) Hier sollte wohl transparent von cis Frauen und cis Männern gesprochen werden, denn auch binäre trans* Menschen werden von der Gleichstellung nicht eingeplant.

Dass es bei dieser Veranstaltung nur um die Gleichstellung von cis Frauen ging, hat sich übrigens durchgezogen. Die nächste Referentin Katja Nebe stellte unter dem Titel „Gleichstellung und Digitalisierung“ den Dritten Gleichstellungsbericht vor (https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/). In der Vorstellung von Katja Nebe, erwähnte unsere aktuelle Gleichstellungsbeauftrage Kathrin Hirschinger, dass sie „nicht genug Fantasie“ hätte, um sich vorzustellen, wo durch die Digitalisierung Probleme in der Gleichstellung aufträten. Vielleicht hätte sie sich mal unseren offenen Brief durchlesen sollen, dann hätte es gar keine Fantasie gebraucht. Oder auch die Mail, die wir ihr zu ihrem misgendernden Rundbrief zum 8. März schrieben – aber darauf bekamen wir nie eine Antwort.

Zurück zum Dritten Gleichstellungsbericht. Katja Nebe erwähnte eingehend, dass sie die Folien von der früheren „Frauenvollversammlung“ zur „Vollversammlung“ abgeändert hatte – leider ließ sich das inhaltlich nicht wiederfinden. So erklärte sie ganz offen, dass sie sich in ihrem Gleichstellungsbericht nur „Frauen und Männer“ angeschaut hatten und nicht die Situation von „dem Dritten Geschlecht“. Auf unsere Rückfrage, warum trans* Personen und vor allem nicht-binäre Personen bewusst nicht beachtet worden, wurde sich nur auf die Auftragslage des Familienministeriums bezogen. Der Auftrag sprach von Männern und Frauen, daher wurde es so gemacht. Von einer „Sachverständigenkommission“ hätten wir da etwas mehr (oder überhaupt) Widerspruch erwartet. Wie akkurat kann ein Gleichstellungsbericht sein, der einen Teil der Geschlechter ausschließt und verkürzte binäre Schlüsse zieht?

Die Vorstellung der Ergebnisse des Dritten Gleichstellungsberichts blieb sehr allgemein – was nun spezifische Probleme der Uni Halle sind, wurde nicht erwähnt. Auch in den kommenden Vorträgen ging es nur noch um die bisherigen Lösungsansätze – die Probleme wurden aber nicht klar benannt. Schade, wir hätten da sicher einiges hinzuzufügen gehabt. Zum Beispiel als eine Person von uns in der Fragerunde misgendert wurde. Daraufhin gaben wir den Hinweis, dass es doch gerade im Bereich Gleichstellung wünschenswert wäre, keine Geschlechter zu raten, sondern sich geschlechtsneutral anzusprechen. Dafür gab es zwar Zoom-Applaus, doch die Referentin gab nur zu bedenken, dass sie ohne Webcam ja nicht sehen könne, ob die misgenderte Person ihr „wohlgesonnen“ sei. Das sollte an der Stelle egal sein und zeigt ein fehlendes Verständnis dafür, was es bedeutet, misgendert zu werden – da muss die Kritik nicht mit einem Lächeln überbracht werden, um legitim zu sein.

Als nächstes folgte ein Vortrag von Sabine Wöller über die Stabsstelle Vielfalt und Chancengleichheit. Hier mal ein bisschen Werbung: Eine Person von uns, wird am 17. Mai in der Ringvorlesung Diversity@University mit auf dem Podium sitzen, unter dem Wortspiel-Titel: „TINklusive Uni. Trans*, inter* und nicht-binär gerechte Hochschule?!“ (https://diskriminierungsschutz.uni-halle.de/diversity_at_university/)
Wir waren ein bisschen traurig, dass Martina Langnickel nicht wie angekündigt ihre Arbeit als Stabsstellenleiterin vorstellte, denn wir warten immer noch auf eine Antwort von ihr auf unsere Mail vom 11.03.2022. Daher warten wir auch immer noch auf eine Stellungnahme der Uni, warum die rechtliche Situation als „Totschlagargument“ bezeichnet wird, wenn es doch rechtliche Gutachten gibt, die Universitäten die Freiheit zur unbürokratischen Namensänderung einräumen. (Ressourcen: https://www.rewi.hu-berlin.de/de/lf/ls/lbk/Gutachten.pdf und https://bukof.de/wp-content/uploads/22-01-25-bukof-Handlungsempfehlungen-Geschlechtervielfalt-an-Hochschulen_komplett_barrierearm.pdf ) (Zur Zeit dieses Schreibens, 10.05. ist uns immer noch keine Post zugeflattert.)

Als nächstes gab es nochmal einen Vortrag der Gleichstellungsbeauftragten Kathrin Hirschinger selbst – auch hier zog sich das Motiv der Veranstaltung durch: Gleichstellung an der Uni Halle kümmert sich vor allem um die Gleichstellung von cis Frauen. Trans* und nicht-binäre Menschen scheinen eine zu komplexe Minderheit zu sein. Einerseits bezieht sich Gleichstellungsarbeit natürlich auf Gesetze, die meist noch binär ausgelegt sind (allen voran das Grundgesetz, Art. 3, Abs. 2 https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html aber auch das  Hochschulgesetz Sachsen-Anhalt, §72 https://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?xid=316473,73 ). Aber sollten nicht gerade die Gleichstellungsbeauftragen dafür kämpfen, dass ihre Gleichstellungsarbeit tatsächliche Gleichstellung schafft? Nun, während die Bundeskonferenz Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e.V. (kurz bukof) den Rahmen für trans* inklusive Gleichstellungsarbeit an Hochschulen schafft (https://bukof.de/standpunkte/ ), scheint sich das Gleichstellungsteam der Uni Halle die simplere Zeit der „Frauenvollversammlung“ zurückzusehnen.

Abschließend haben sich ein Teil der Kandidat*innen für die Gleichstellungskollegien vorgestellt. Für mehr als die Namen und Arbeitsbereiche hat die Zeit aber nicht gereicht, Fragen durften wir auch keine stellen. Dabei hätten wir gerne etwas gebohrt, welche Kandidat*innen sich tatsächlich für trans* Studierende einsetzen. Wir hätten euch auch gerne Tipps gegeben, wen die „weiblichen“ Stud*entinnen diese Woche als die Gleichstellungsbeauftragten wählen können – aber inhaltlich war aus der Vorstellung nichts rauszuholen. So stehen für die universitätsweite Gleichstellungsbeauftrage nur Personen zur Wahl, die bereits jetzt im Gleichstellungsbüro arbeiten. Sollen wir da eine Wahlempfehlung aussprechen, wenn diese Vollversammlung uns gezeigt hat, dass trans* Studierende an der Uni Halle keine Zielgruppe von Gleichstellung sind?
Und für die Gleichstellungsbeauftragten der Fakultäten sind kaum mehr als Forschungs- und Lehraktivitäten zu finden – keine Wahlversprechen oder Wahlprogramme. Worauf sollen wir da unsere Entscheidung basieren?

Die nächste Gleichstellungswahl ist in 2 Jahren, hier ein kostenloser Tipp für das frisch gewählte Gleichstellungsbüro (diesmal aber bitte Quelle angeben): 2 Jahre sind genug Zeit, um einen Wahlomaten für die Gleichstellungswahl zu erstellen. Wie wäre es damit, die Wahl etwas transparenter zu gestalten?